Jahre der Noth
Auszug aus "Chronik des Amtgerichtsbezirk Frauenstein" (Erster Theil). Zusammengestellt von Oswald Schleinitz im Jahre 1887













Im Allgemeinen befindet sich jetzt der Amtsbezirk im Wohlstande, viele und sehr schlimme Zeiten kamen aber oft über die Bewohner desselben, sodaß die Einwohnerzahl einzelner Orte oft bis auf eine ganz geringe decimirt war, manche Dörfer ganz verschwanden, und das Besitzthum fast keinen Werth mehr hatte. Nachstehend folgen die in dieser Hinsicht schlimmsten Jahre:


1296
belagerte der Kaiser Adolf von Nassau 6 Monate Freiberg. Die Soldaten richteten während dieser Zeit auch in und um Frauenstein großen Schaden an.

1429 - 1432
fielen die Hussiten mit ihrem Anführer Prokop ins Land und verheerten dabei alles durch Raub, Mord und Brand. Fast alle Dörfer wurden eingeäschert, die Menschen schrecklich hingeschlachtet, sodaß sogar einzelne Ortschaften, wie Haselborn, Dittersdorf etc. nie wieder aufgebaut worden sind.

1442
gabs soviel Schnee, daß man auf keiner Straße fortkommen konnte, man zählte 36 Schneefälle, der letzte fiel in der Walpurgisnacht.

1540
große Hitze, Dürre und Theuerung.

1542
entstand der Fladenkrieg. Dazu ließ der Herzog Moritz eine starke Mannschaft im Lande rekrutieren, aus hiesigem Amte wurde 209 Mann ausgehoben, die nach Freiberg und von da nach Oschatz marschieren mußten. Weil aber halb Friede zwischen den Parteien ward, die Truppen nach Hause und mit den Ihrigen die Osterfladen (Plinzen) in Ruhe essen konnten, hat der Krieg diesen Namen bekommen. Eine seltene Erscheinung brachte auch das Jahr 1542, nämlich Heuschrecken. Diese sind in großen Schwärmen, gleich dichten Wolken, bisweilen die Sonne verdunkelnd, weit über das sächsische Land, auch unser Gebirge geflogen, des Tages ungefähr eine Meile Wegs fortgezogen, dann haben sie sich im Felde niedergelassen, Laub, Gras, Kraut, Getreide abgefressen und überall Flecken, roth wie Blut zurückgelassen.

1545
wurden wiederum allhier viele Mannschaften ausgehoben, welche nach Oschatz auf die Musterung und von da in Braunschweigische geführt wurden, dem Landgrafen von Hessen zu Hilfe. Der Streit wurde jedoch ohne Blutvergießen beseitigt und die Mannschaften kamen um Martini wieder nach Hause.

1547
während des schmalkaldischen Krieges zogen viele kaiserliche Truppen durch den hiesigen Bezirk nach Freiberg, trieben große Plackerei und brachten die meisten Bewohner in Armuth.

1563
vom 10. Februar an tobte 4 Tage lan ein solcher Sturm, daß in etlichen Orten Häuser eingeworfen wurden und die Wälder großen Schaden litten.

1568
erschütterte am 27. Juli ein Erdbeben die ganze Gegend.

1580
regnete es von Anfang September bis Dezember keinen Tropfen, sodaß alle Bäche austrockneten, die Ernte mißrieth, und die Leute 3 bis 4 Meilen nach Mehl und Brod laufen mußten; an manchen Orten hat man gedörrte Krautstrünke etc. zur Sättigung gegessen.
Vorher waren schon sehr trockene Jahre: 1194, 1294, 1302, 1400, 1473 und 1540.

1590
hat es abermals 38 Wochen nicht geregnet, wodurch wieder große Theuerung entstand. Massenhafte Waldbrände kamen vor, so brannte z.B. 3 Wochen lang der Wald an der hiesigen böhmischen Grenze. Täglich mußten 1500 Personen aus den benachbarten Dörfern ausrücken, um das Element durch Aufwerfen von Gräben zu bekämpfen und zu dämpfen.

1599
starben viele Leute an der Pest. Diese Krankheit zeigte sich mit starkem Frost und Schwindel, großer innerlicher Hitze und Unruhe, Mattigkeit in allen Gliedern, Kopf-, Rücken- und Seitenschmerzen, schwerem Athem, hitzigen Augen, brennendem Durst, Blutstürzen, Erbrechen und Durchlauf; alsbald entstanden am Körper Karfunkel (eigentlich: roter Edelstein oder kleine Glutkohle), Pestbeulen, die zuletzt dunkelfarbig wurden, weshalb die Pest auch schwarzer Tod genannt ward. Die kranken starben daran meist bis zum dritten Tage, wer aber diesen überlebte und in Schweiß kam, ward meist gerettet. Die Krankheit ward durch Hauch, Hautausdünstung und Eiter der Beulen sehr ansteckend, der Stoff der Ansteckung konnte leicht verschleppt werden, selbst nach Jahren noch sich wirksam zeigen, weshalb auch sie weit sich verbreitete und wiederholt zum Vorschein kam.

1616 und 1617
waren Jahre der Theuerung, 1 Scheffel (Hohlmaß zwischen 50 und 250 Liter) Korn kostete 7-8 Thlr.
Große und schwere Leiden, ähnlich denen der Hussiteneinfälle, brachte der 30jährige Krieg (1618-48) auch unserem Bezirke. Die Bevölkerung war durch die lang andauernden Unruhen und schrecklichen Verwüstungen so reducirt, daß man 1697, also 50 Jahre nach dem Osnabrücker Frieden, nur erst wieder in allen Dörfern zusammen, excl. Frauenstein, 1705 Einwohner zählte.

1663
den 16. Mai schlugen die Schloßen (Hagelwetter) alle Früchte zusammen, ebenso 1677, den 13. Juli

1695
war wiederum große Hungersnoth, daß viele Leute Gras, Kraut, Baumrinde, Laub etc. aßen und viele verhungerten.

1696
am 18. Dezember war Nachts ein großer Sturmwind, der viele tausend Stämme zerbrach. Darauf folgte große Kälte.

1697
im Juli kamen dänische Truppen in hiesige Gegend ins Quartier, welche den Leuten viel Ungelegenheiten machten.

1719
gab es ebenfalls einen heißen, trocknen Sommer, sodaß große Theuerung entstand, desgleichen 1746.

1733
schloßte (Hagelwetter) es den 28. und 29. Juli stark auf den Feldern zu Dittersbach, Burkersdorf, Nassau, Frauenstein, Reichenau, Ammelsdorf, Schönfeld etc., daß man von 1 Schock (Schlag) Korn kaum 1 Scheffel (Hohlmaß zwischen 50 und 250 Liter) ausbrach.

1739
im October und November sind wegen harten Frostes und Schnees Kraut und Rüben meistens draußen geblieben und verdorben.

1740
fiel im September schon der erste Schnee, der die Ernte verhinderte, das meiste Getreide blieb 5-6 Wochen unter dem Schnee liegen, dadurch die Körner beschädigt und zur Aussaat unbrauchbar wurden.

1756
Sofort mit dem ersten Jahre des 7jährigen Krieges begannen die Leiden desselben, die in Einquartierungen, Werbungen zu fremden Kriegsdiensten bestanden. Traurige Weihnachten gabs in vielen Familien dieses Jahr! Man sah Händewinden, hörte Wehklagen und Schreien. Den Eltern wurden ihre Söhne, Weibern ihre Männer, Kindern ihre Väter genommen und wider Willen zu preußischen Kriegsdiensten gezwungen, wozu sie in die brandenburgischen Lande geschleppt und einerercirt wurden, aus hiesigem Amte allein 73 Mann.

1757
Die zweite Werbung der Preußen ergab im ganzen Amte nur 23 Mann.
Im Mai wurde Brodgeld an die Armen vertheilt, der das Amt 1200 zählte!

1758-63
fortgesetzt dieselben Kriegsleiden. Große Freude erregte daher die Verkündigung des Hubertusburger Friedens am 15. Februar 1763.
Dieser Krieg soll dem Amtsbezirke 107.000 Thaler gekostet haben.

1809
wurden 30 Mann Rekruten aus der Amtslandschaft ausgehoben und am 21. August durch Frauensteiner Schützen nach Meißen transportiert.

1811
am 11. und 12. Mai wurden 80 Rekruten ausgehoben, in 3 Klassen getheilt und 28 durch Bürgerschützen sofort nach Dresden geleitet. Am 4. Mai kam Befehl ins Amt, Stückpferde auszulesen, doch noch nicht abzuliefern.

1812
Vom neuen Kriegsgewölk napoleonischen Frevelhochmuths, der dies Jahr die Höhe vom Falle erreichen sollte, wurde unser glücklich abgelegener Landstrich nur insofern berührt, als auch etliche Amtslandschaftsfinder, nämlich die in den Vorjahren ausgehobenen, im sächsischen Heere den verhängnisvollen Fahnen jenes tollen, welteroberungssüchtigen Tyrannen nach Rußland folgen mußten. Schon im Januar mußten die im vorigen Jahre ausgelesenen Stückpferde nach Dresden abgeliefert werden. Der Oberleutnant von Goldacker aber, der am 28. Januar mit 4 Mann Garde du Corps in Frauenstein erschien, um 19 Rekruten auszuheben, konnte nur 9 solche Unglückliche aufbringen und am 1. Februar nach Dippoldiswalde mitschleppen, um Napoleons Fröhner zu mehren. Die ihm auf seinem Durchzuge durch Freiberg am Pfingstsonnabend zugedachten Solennitäten (lat.: alljährliche Feier) wurden unter Blitz und Donner zu Wasser. Nachrichten über zurückgekommene Frauensteiner im zeitigen Winter, der ihn zur schrecklichsten aller Retiraden zwang, fehlen. Einen im Feldhospital zu Grodno am 4. Dezember zufolge einer Schußwunde in den Mund verstorbenen Sohn des Doppelhäuers vom Christophstolln bei Frauenstein, C. G. Oehme aus Brand, nennt P. Creutz unter seinen Nachrichten von Unglücksfällen vom dem Todtenbuche.

1813
hatte der Bezirk viel Einquartierung, Plünderung in Folge des Kriegs zu ertragen. Dieses Kriegsjahr kostete dem Amte 80.000 Thaler.

1815
Als Napoleon im März von Elba ausgebrochen und durch Frankreichs Wiedereinnahme die auf dem Heimmarsche befindlichen Russen wieder auf die Beine gegen ihn gebracht worden waren, hatte auch im hiesigen Amte jede Hufe das Vergnügen, bei dem Marsche dieser Truppen durch Freiberg zu Pfingsten, am 14. Mai, die Naturallieferung mit je 10 Seidel Butter und 3 Eiern zu beschaffen, sowie Hafer und Heu bereit zu halten.
Am 3. Juni erfolgte die 3. Landwehraushebung und wurden am 5. Juni die ausgehobenen Landwehrmänner nach Chemnitz transportiert.
Wegen kalter und nasser Witterung mißrieth im ganzen Erzgebirge, auch hier, die Ernte dermaßen, namentlich das Korn, daß das Schock Garben nur 2-4 Metzen Körner gab.

1816
Die Getreidepreise schwankten zwischen 6 und 5 Thalern für Korn, 7 bis 9 Thaler für Weizen.

1817
Die Theuerung vom vorigen Jahr schien anfangs nachlassen zu wollen, hielt aber bald wieder, schon vom März und April an, sich in der Höhe von 12 bis 15 Pfennig für das Pfund Brod, und da im Aprilschnee nicht fortzukommen, auch für die armen Leute keine Arbeit und kein Flachs zum Spinnen war, selbst Samenkorn meist aufgezehrt worden, so war viel Lamentirens. Erst im August, zufolge fremder Einfuhr auf der Elbe und beserer Ernteaussichten, die dann auch wesentlich eintrafen, sanken die Getreidepreise allmählich bis gegen 5 Thaler für das Korn, fingen jedoch, da aus Böhmen wenig hereinkam und das Korn doch etwas weniger Schocke gab, als man gehofft, im Oktober schon wieder an, bis 7 Thaler zu steigen.

1819 und 1820
waren sehr trockne Jahre

1842
die Futterpreise stiegen, die Vieh- und Fleischpreise aber fielen, die Kanne Butter kostete vorher 8 und nun 16 Groschen.

1866
gab es in den Monaten Juni und Juli erst sächsische und dann preußische Einquartierung, die aber nicht gerade eine Last wurde.

1870 und 1871
Auch aus unserem Amtsbezirke mußten zahlreiche Mannschaften mit in den glorreichen Kieg gegen die Franzosen ziehen; wieviel davon auf dem Felde der Ehre geblieben sind, konnte Verfasser ncht in Erfahrung bringen. Ein Sohn des Herrn Krichenraths Dr. Hasse, Leutnant Gotthold Hasse, wurde in der Schlacht bei Sedan am 1. September so schwer verwundet, daß er am andern Tag darauf im Schloßlazarethe zu Bazeille seinen Wunden erlag.