![]() | Erinnerungen aus dem Leben des August Fürchtegott Merkel - 1. Teil (bis 1871) | |
Erinnerungen aus dem Leben des August Fürchtegott Merkel 1818-1892 Ein Beitrag zur Geschichte von Nassau im Erzgebirge 1. Teil (bis 1871) Ehe ich meine Aufzeichnungen beginne, will ich erst meinen Großeltern einen Rückblick widmen. Mein Großvater Carl Gottlieb Kümmer besaß in Clausnitz das oberste, aber auch das größte Gut, hierbei hatte derselbe auch noch ein großes Landfuhrgewerke von 8, auch 10 Pferden und fuhr alle Wochen ein, öfter auch zweimal mit Butter, Brettern und was es sonst noch immer gab, nach Dresden, hatte als Rückfracht Kaufmannsgüter nach Clausnitz und Umgegend zu laden. Derselbe erfreute sich einer guten Gesundheit, machte alle Wochen die Reise nach Dresden mit, um die Geschäfte des Fuhrgewerkes pünktlich zu besorgen und führte damals ein sehr lohnendes Geschäft. Meine Großmutter, einer geborene Erler, hatte sich, kaum 16 Jahre alt, mit Vorstehendem, welcher 30 Jahre hinter sich hatte, verehelicht. Die Ehe war eine glückliche, wenn auch mitunter sehr arbeitsvolle und beschäftigte, zumal die Großmutter die große Wirtschaft allein zu derjenigen Zeit hatt, wenn der Großvater in Geschäften auswärts war. Bei dem unermüdlichen Fleiß beider Ehegatten und der Führung eines ehrbaren und religiösen Lebenswandels fehlte es denselben auch nicht an Gottes reichem Segen, somit (sind sie) auch bald nach einigen Jahren zu einer Wohlhabenheit gelangt. Sie zeugten mehrere Kinder, von denen nur 5 am Leben blieben und großgezogen wurden. Das älteste Mädchen, Johanna Christiane, wurde meine Mutter, welche bis 1818 den Eltern in der Wirtschaft tatkräftig beistand. Meine Großeltern in Clausnitz hatten noch zwei Kinder, Concordia ? sie verehelichte sich mit Gutsbesitzer Carl Gottlieb Gehmlich in Clausnitz und hatte eine zahlreiche Nachkommenschaft. Darauf folgte der zweite Sohn, Gottlob Leberecht Kümmer, welcher das väterliche Gut mit allem lebenden und toten Inventar übernahm und mehrere Jahre bewirtschaftete. Er verehelichte sich mit der Jungfrau Juliane Köhler aus Weidmannsdorf, welche eine sehr glückliche Ehe führten. Gottlob Kümmer starb in den besten Mannesjahren, die Frau zwölf Jahre später als Witwe. Das Gut wurde verkauft und ging der größte Teil, da kinderlos, an die übrigen noch lebenden kümmerschen Erben über. Kein ehelich Glück aber ist ohne Kummer und Sorgen, so auch hier. Die beiden Kinder hatten durch Masern und Scharlach viel gelitten. Die Tochter bliebe immer ein bisschen beschränkt in geistigen Befähigungen, heiratete zuletzt aber doch.... (Vom Sohn heißt es:) Auch erlernte er die Tischlerprofession und fertigte sehr brauchbare Arbeit. Auch in der Landwirtschaft war mit tätig und konnte sehr geschickt arbeiten. Diese beiden Kinder machten den Großeltern viel Sorgen für die Zukunft, doch ihr festes Gottvertrauen hat sich bewährt, indem auch für diese beiden nach dem Tode der lieben Großeltern hinlänglich gesorgt war und sie bis zu deren Abscheiden ihr gutes Auskommen und Pflege hatten. Die selige Großmutter starb im Jahr 1841, der Großvater folgte ihr 1844. Die jüngste Tochter, verheiratet mit einem gewissen Müller in Clausnitz, starb 1868, Sohn Heinrich 1887, im 73. Lebensjahr. Auch andere große Not und Sorgen hatten meine Großeltern betroffen. Einmal sind fast die ganzen Pferde am Rotz erkrankt und getötet worden. 1813 im Kriegsjahr wurde demselben von böhmischen Raubgesindel das ganze Vieh von der Weide getrieben, ohne ein Stück davon zurückzuerlangen. Ein andermal (wurden sie) wieder von Soldaten ausgeplündert, aller Wertsachen beraubt, dabei misshandelt, bis sie sich endlich in die Wälder geflüchtet hatten. Seuchen, Krankheiten, Hagelschaden haben dieselben nach ihren Erzählungen betroffen, so dass sie sich selbst wunderten, wie dies alles so mit Gottes Hilfe überstanden war. Meine Großeltern väterlicherseits stammen von einem zugewanderten Müllergesellen, nach der Zeit des Pest, welcher die übriggebliebene Tochter des Müllers geheiratet und meinem Großvater Johann Gottlieb Merkel als Sohn hinterlassen hat. Dieser heiratete damals die Jungfrau Rosine, geborene Werner aus Kämmerswalde. Diese besaßen hier zu Nassau die sog. Merkelmühle, Nr. 35, lebten ebenfalls glücklich und in gesegneter Ehe und zeugten viele Kinder, wovon mein Vater der erstgeborene Sohn war. Auch diese beiden Großeletern hatten große Wirtschaft und Müllerei und betrieben die Brot- und Weißbäckerei sehr stark. Das Getreide war damals der schlechten Straßen wegen sehr schlecht herbeizuschaffen, weshalb der Vater selbst mit Geschirr viel aus Böhmen holte und auch noch andere Lohnfrachten dazu hatte. Doch wurde auch zu damaliger Zeit viel Geld verdient, weshalb sich auch ihr Wohlstand bald hob. Doch mitten in diesen guten Geschäften hatten auch sie ihre Not und Sorgen, teils durch Krankheit, teils durch andere Schäden. Auch ihnen wurde 1813 im Krieg viel Vieh geraubt, Sachen geplündert usw. Auch sie bekannten offen als gottesfürchtige, religiöse Leute die Gnade und Hilfe des Allmächtigen an, der ihnen nach viel ausgestandenen Gefahren und Sorgen zur Seite gestanden. Im Jahre 1824 starb mein Großvater, ich glaube an Darmentzündung und Rheumatismus. Meine Großmutter hatte nun die Wirtschaft fortzuführen, bis der jüngste Sohn Carls Gottlieb Meierrant war, welches 17 Jahre dauerte, in welcher Zeit die Großmutter viel Segen des Himmels hatte. Sie starb im Jahre 1855, nachdem sie noch längere Zeit in Ruhe lebte, am Tage als meine Schwester Ertmunde mit Gustav Klemm in Weidmannsdorf Hochzeit hatte. Auch meine Großeltern zu Nassau hatten viel schwere Sorgen, hatten eine große Tochter, welche geisteskrank war, die starb. Drei Töchter verheirateten sich nach Nassau, eine nach Weidmannsdorf an den Mühlenbesitzer Münzner, welche heute, am 15 August 1892 im 84sten Lebensjahr sich wohl und munter befindet. Der jüngste Sohn, Carl Gottlieb, übernahm die Wirtschaft, nachdem er Mayrant, ich glaube für 8000 Thl. Wurde. Das gut hat 160 Scheffel mit sehr viel großem Holzbestand. Derselbe heiratete Jungfrau Christiane Rudolph aus Dittersbach, (sie) lebten glücklich und zeugte viele Kinder, dessen jüngster Sohn Hermann das Gut jetzt besitzt, davon ein Teil an den Fiskus über Thl. 8000 verkauft hat. Die Mutter, geborene Rudolph, lebt noch und ist 82 Jahr, noch rüstig und gesund. Mit inniger Wehmut, aber auch zugleich mit aufrichtiger Liebe und Dank, blicke ich heute und stets zurück auf die vielen Wohltaten und Freuden, die ich sowohl bei den Clausnitzern, als Nassauern Großeltern genossen und uns Kindern immer bereitet wurden. Darum habt noch tausendmal Dank, Ihr reuren Lieben! Gott lasse Euch dafür die höchste Glückseligkeit genießen. Hiernach fahre ich nun weiter fort, dass mein Vater Traugott Freidrich Merkel im Januar 1818 sich mit Mutter Jungfrau Johanne Concordia, geb. Kümmer, in Clausnitz vermählte. Dieselbe zog nun nach der Hochzeit nach hier in die sogenannte Merkelmühle, wo mein Vater im elterlichen Hause Geschäftsführer und Mühlknappe war. Hier wurde ich nun am 22. Dezember 1818 geboren und am 26. Dezember getauft. Die Patenstellen vertraten: 1. Mein Großvater Carl Gottlieb Kümmer in Clausnitz 2. Tante Jungfrau Caroline Merkel in Nassau 3. Gutsbesitzer Friedrich Werner aus Kämmerswalde Bis zum 5. und 6. Jahr kann ich mir nichts ins Gedächtnis zurückrufen, doch soll ich in dieser Zeit einige Male sehr krank an Scharlachfieber gelegen, und meine Eltern sehr um meine Leben besorgt gewesen sein sollen. Nach der Hochzeit haben meine Eltern mit mir noch 2 Jahre im elterlichen Hause gewohnt. Inzwischen hat mein Vater die obere Mühle zu Clausnitz, welche damals dem Großvater Kümmer gehörte, käuflich erworben und mit dessen Beistand und seiner Eltern Hilfe ganz neues Mühlwerk und Gehöfte gebaut. Hierzu gehörte außerdem noch ? Hufe mit 34 Scheffel Land, eine schöner Garten und Land. Im Jahre 1820 wurden nun die Gebäude fertig und konnten meine Eltern mit mir in ihr neues Heim einziehen. Hier verlebte ich nun mit meinen Geschwistern, deren ich 8 bekam, die schönsten Jugendjahre in fast ungetrübter Weise, ging mit 5 Jahren in die Schule, zuerst 2 Jahre bei Schlege, 1 Jahr Vikar Heinze, und zuletzt bei Herrn Beilicke aus Frohburg, einem alten treuen Lehrer, der mir sehr praktische und nützliche Lebensregeln eingeprägt hat, demselben (ich) noch heute meinen Dank zolle. In der Kirche von Pastor Flemming confirmiert und der Schule entlassen, genoss ich noch bei demselben einigen Unterricht in Latein und französischer Sprache. Als Müllerlehrling blieb mir aber immer wenig Zeit, mich sehr üben zu können. Außerdem genoss ich ein bisschen Zeichenunterricht beim Mühlenbaumeister Kreher. Mein Wissensdrang und Fortbildung konnte aber nicht so befriedigt werden, wie ich es mir wünschte. Einmal, weil es damals an Realschulen und Unterrichtsanstalten aller Art fehlte, und zweitens die Ausbildung auf einer höheren Schule meine Eltern zu teuer kam, da sie noch nicht einmal in der Lage zu sein glaubten, mich auch zu Hause dreieinhalb Jahre entbehren zu können. Ich musste mich daher selbst durch Bücherlesen weiter fortbilden, die Müllerei und Bäckerei gründlich erlernen, zu welcher ich gerade erst nicht viel Lust und Liebe hatte. Ich hatte große Lust zur Malerei und deshalb nun auch schon einen Lehrmeister in Freiberg gesucht, da aber dies auch nicht ohne Geld abging, musste ich meinen Plan aufgeben. Als ich nun mit 15 Jahren Müllerei und Bäckerei gut verstand und Müllerbursche machen konnte und hierbei immer viel Trinkgelder verdiente, bekam ich Lust und Liebe zu meinem Beruf, und so lernte die Sache recht gehen, und so führte ich die Geschäfte meiner Eltern zum Nutzen und mir selbst in sehr schwunghafter Weise, so dass wir Tag und Nacht zu mahlen und fast jeden Tag viermal zu backen hatten. So flossen nun meine Jünglingsjahre in lauter Lust und Wonne mit verschiedenen großartigen Hoffnungen und Ideen. Bei Ausübung meines Geschäftes hatte ich aber auch Entbehrungen zu lernen, und ich konnte nicht jedes Juche und Vergnügen mitnehmen. Zweimal in meiner Jugend war ich in Lebensgefahr, das eine Mal kletterte ich auf einen großen Kraftwagen des Getreidefuhrmanns, um ihm die Kirschen, die gewöhnlich in der Schoßkelle staken, auszuführen. Ich stand hinten auf dem Wagen, und als die Pferde schnell anrückten, stürzte ich zwischen den Leitern durch und kam mit dem Kopf ins Rad. Im Nu konnte der Kopf weg sein, wenn nicht die Pferde augenblicklich stillgestanden. Das Wagenrad musste abgezogen werden, um mich herauszukriegen, und für tot trug man mich in die Stube. Fortsetzung folgt |